Alleine oder einsam?

alleine
Liebste Fab,

Ich sitze alleine in der Hotelbar in meiner dritten Heimat Berlin. Das Personal grüsst mich freundlich und der DJ spielt zufälligerweise das Lied «I’m so tired of being alone» von Al Green.

Halt, eigentlich bin ich ja gar nicht alleine. Da drüben sitzen zwei Verliebte. Er streichelt ihren Kopf, sie sieht dabei ziemlich gelangweilt aus. An der Bar sitzen zwei ältere Herren und stossen lachend auf das Leben an. Und in der Hotellobby sitzen vier Jugendliche, die nur auf ihre Handys starren und nicht miteinander sprechen. Die Kellner wirbeln durch den Raum, Gläser klirren. Es wird für einen Moment ziemlich laut, alle blicken für den einen Augenblick auf das Geschehen. Die hübsche, sympathische Serviedüse nähert sich meinem Tisch und fragt mich, wie es mir geht. Sie hat uns jeden Abend einen Dark’n’Stormy serviert. «Es geht mir gut», erwidere ich und zeige auf den Drink. Wir müssen lachen. Nein, ich bin nicht alleine.

Einsamkeit entsteht nicht dadurch, dass man keine Menschen um sich hat, sondern vielmehr dadurch, dass man ihnen die Dinge, die einem wichtig erscheinen, nicht mitteilen kann.

Doch alleine sein ist nicht dasselbe, wie sich einsam fühlen oder? Ich habe die letzte Woche intensiv über diese zwei verschiedenen Begriffe nachgedacht. Umso interessanter war für mich der Talk an der diesjährigen re:publica in Berlin mit dem Titel«Ziemlich schlechte Freunde? Depression und Social Media». Da wurden zwei unterschiedliche Erfahrungen präsentiert. Zum einen Kati Krause, die 2014 an einer Depression erkrankte und bei der Social Media die Krankheit verschlimmert hat, da das öffentliche zur Schau stellen des ach so tollen Lebens zusätzlichen Stress verursachten. Zum anderen Uwe Hauck, der nach einem Suizidversuch seine Erlebnisse und Beobachtungen unter dem Hashtag #ausderklapse in die Welt hinaus tweetete, Social Media also als Ventil gebrauchen konnte. So geht jeder mit dem Thema anders um. Einige fühlen sich durch die sozialen Netzwerke einsam und isoliert, andere finden Gehör und entgehen dem Gefühl.

Ich glaube, dass das Alleinsein und das «sich-einsam-fühlen» sich dahingehend unterscheiden, ob man sich dafür freiwillig entscheidet oder nicht. Ein Beispiel: Eine der prägendsten Reisen habe ich vor sechs Jahren unternommen. Eine Zugreise durch Deutschland und zwar ganz alleine. Ich hatte das davor noch nie gemacht. Ich schlenderte durch Frankfurts Gassen, sass in Köln an die Bar eines Restaurants und in Berlin besuchte ich zum ersten Mal im Alleingang ein Kino. All dies empfand ich als unglaublich befreiend. Wieso? Weil ich es konnte und gar nicht schrecklich fand. Im Gegenteil. Ich musste keine Kompromisse schliessen, konnte einfach tun und lassen, wonach mir war, ohne auf jemanden Rücksicht zu nehmen. Seither versuche ich, einen solchen Kurztrip regelmässig zu unternehmen. Denn ich mag das Alleinsein. Es gibt mir Ruhe und Raum über mich selbst nachzudenken, über meine Freunde, meinen Geliebten, meine Familie und über mein Leben.

Wäre die Einsamkeit nicht so lehrreich, könnte man glatt daran verzweifeln.

Gewisse Momente halte ich dann eben über Facebook, Twitter, Instagram und Snapchat fest und freue mich über jedes lachende Smiley, welches ich aus der Ferne zurückerhalte. Irgendwie scheine ich also diese Momente teilen zu wollen. Entgehe ich damit dem beklemmenden Gefühl der Einsamkeit? Ich glaube, da ist etwas Wahres dran. Allerdings brauchen wir Social Media dafür nicht. Der gute alte Diaabend, das klassische Telefonat oder das persönliche Gespräch nach der Reise und vor dem Zeitalter von Snapchat & Co., haben uns genau so guten Dienst getan. Es ist also nicht der Moment, den wir in genau dem Moment teilen müssen, sondern lediglich das Mitteilen selbst – egal zu welchem Zeitpunkt. Wir machen es uns lediglich in diesem Zeitalter ganz schön einfach.

Oft wird Alleinsein aus der Angst heraus gemieden, dass gleichzeitig Einsamkeits-Gefühle auftreten könnten. Aber weder Alleinsein noch Einsamkeit werden wir in unserem Leben vermeiden können.

Doch eben es gibt sie auch, die Momente der Einsamkeit. Es sind diese Momente, in denen ich besonders meinen verstorbenen Vater vermisse, da ich ihm eben die für mich wichtigen Dinge nicht mehr mitteilen kann. Ich habe gelernt mich dem Gefühl zu stellen und es zuzulassen, da es glücklicherweise keines auf Dauer ist. Denn schliesslich sind da einige mir nahestehende liebe Menschen mehr um mich herum (ja, auch du bist gemeint) und besonders Mama, die Herzensgute, die stets ein offenes Ohr für mich hat. Apropos: Fröhlichen Muttertag, du Beste! <3

Und so gebe ich mich der Palette an Gefühlsduselei hin, ob alleine oder einsam, es ist das, was du daraus machst.

Herzgruss von Bern nach Zürich,
Eve
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