Liebste Fab,
Oh la la, jetzt werden aber wir tiefsinnig, nicht wahr? Um ehrlich zu sein, diesen Beitrag wollte ich dir ja schon länger schreiben. Ich habe aber damit gewartet und heute weiss ich auch warum. Er könnte nicht besser in unser beider Leben passen. Also beginne ich einfach und füge meine über Monate gesammelten Gedanken und Fragmente zu einem Ganzen zusammen.
Was heisst eigentlich Ex-Freund?
Ich hasse den Ausdruck. Ich mag auch die Zusammensetzung nicht. Automatisch kommt mir dann das Wort Sex in den Sinn. Warum eigentlich? Nun, vielleicht, weil es nur einen Buchstaben ausmacht. Und weil der Ausdruck «Sex mit dem Ex» so geläufig ist. Warum soll das so toll sein? Klar, man kennt den anderen, man kennt seine Vorlieben, dem anderen seinen Körper und man hat dabei das Gefühl etwas Verbotenes zu tun, es ist aufregend. Aber man weiss doch auch schon im Vorhinein, dass man sich danach einfach nur beschissen fühlen wird. Es wird komisch sein und man wird nie mehr ein Wort darüber verlieren, es so abtun, als wäre es eine Art Abschiedsritual gewesen. Was es wahrscheinlich auch ist und trotzdem fragt man sich, ob dies die Form von Abschied ist, die man sich gegenseitig wünscht.
Es liegt wohl auch daran, dass ich es noch nie mochte, jemanden als meinen «Freund» zu bezeichnen. Vielmehr ist er doch mein Partner. Oh Gott, jetzt kommts: mein Lebensabschnittspartner. Klingt so erwachsen, nicht? Dabei waren wir Kinder, als wir zueinandergefunden haben. Trotzdem beschreibt dieser Ausdruck viel mehr, was wir waren.
Part-ner. Teil von. Irgendwie. Teil des anderen Lebens.
Ohne sich dabei selbst aufzugeben. Versucht man zumindest und merkt dann erst im Nachhinein, dass das nicht immer so gut klappt.
Heisst denn Ex-Freund, dass man keine Freunde mehr sein kann? Oder man keine Freunde mehr ist? Im Grunde genommen wünscht man sich doch gegenseitig, dass man Freunde bleiben kann. Aber manchmal gestaltet sich dies schwieriger, als gedacht. Man wünscht sich den Kontakt, um im nächsten Augenblick zu merken, dass man sich fremd geworden ist. Ist er deswegen jetzt kein Teil meines Lebens mehr? Die Zeit, die wir teilten, werden wir doch immer geteilt haben. Er war aktiv an meinem Leben beteiligt. Heisst das jetzt, er ist nur noch der passive Teil? Der Beobachter aus der Ferne? Nur noch in meinen Erinnerungen und deswegen nicht mehr Teil meines jetzigen Lebens?
Aha, er ist also vielmehr mein ehemaliger Partner.
Ehe-mals. Schon wieder treffe ich auch ein Wortbaustein, der mir jetzt sogar eine Ehe mit meinem Ex-Partner unterjubeln will. Ob Trauschein oder nicht, eigentlich macht dies eine Beziehung ja nicht anders. Daher ja, meine Ehe ist auseinandergegangen und der Scheidungsrichter waren wir selbst. Die Jury, also alle aussenstehenden Menschen, können das bezeugen. Sie sollten es deswegen noch lange nicht verurteilen oder zu verstehen versuchen. Sie waren nicht dabei und können niemanden schuldig sprechen. Wie gesagt, wir waren unsere eigenen Richter und das ist auch richtig so. Nichtsdestotrotz haben mich einige Leute mit ihren verschiedenartigen Reaktionen überrascht. Ich frage mich dann immer, welche Version der Geschichte sie wohl zu kennen glauben. Im Grunde genommen aber auch egal und es ändert an der Tatsache nichts.
Eiskalt erwischt haben mich bisher nur die Nachbarskinder, die mich gefragt haben, warum er ausgezogen ist. Und ob wir uns denn nicht mehr lieb haben. Damals war ich noch wütend, gerne hätte ich all kränkenden Gefühle in eine Antwort gepackt. Ich habe mich für «,weil es manchmal nicht anders geht, obwohl wir uns lieb haben» entschieden. Und eben das ist die Quintessenz: Ich habe mich, trotz allen Widrigkeiten, dafür entschieden, dass er mein Freund bleiben soll – egal, was ich gefühlt habe und wie tief verletzt ich war. Weil ich elf gute Jahre nicht einfach durch ein Ende mit Schrecken überschatten lassen möchte. Vielmehr halte ich daran fest, an dem Menschen, der mich begleitet hat und mich weiterhin begleitet.
Denn Menschen verschwinden nicht einfach, sie hinterlassen Spuren und Erinnerungen. Und das ist gut so.