Liebe Eve
In einer Zeit in, welcher der Grat, zwischen Tatsache und Darstellung, Original und Kopie sehr schmal und undurchsichtig geworden ist, plädiere ich für Echtheit, für das Original, für ein «one of a kind» oder vielleicht etwas spritziger für:
Das gewisse Etwas!
Im Zusammenhang mit Objekten ist Echtheit ja bereits ein viel und breit diskutiertes Thema: Warum sollte man für ein Markenoriginal eine Monatsmiete bezahlen, wenn die fast identische Kopie aus der gleichen Produktionsstrasse stammt? Die Margen auf Markenartikel sind enorm. Die Arbeitsbedingungen sind auch nicht zwingend besser oder fairer. Was man aber behaupten kann, ist das Folgende: die «Geiz ist geil»-Mentalität zahlt auch keine kreative Ideen. Als Konsequenz heisst das für mich:
Original kaufen oder verzichten.
Eine kleine Anekdote dazu: Ich habe mich vor längerer Zeit auf den ersten Blick in eine schwarze Céline Tasche verliebt. Sie ging mir nicht mehr aus dem Kopf, das Preisschild leider auch nicht. Also habe ich für meine «Anschaffung fürs Leben» gespart und gespart. Diese Meisterleistung hat meine Kreditkartenfirma leider nicht honoriert und die Karte beim Kauf einfach gesperrt. Offenbar entspricht diese einmalige Investition nicht meinem «üblichen Kaufverhalten». Ich blieb für einmal hartnäckig und bin nun sicherlich aktenkundig bei meiner Kreditkartenfirma, aber im Besitz dieser Tasche.
Das Aufspüren von Originalen unter der Menschenmasse ist auch nicht einfacher:
Wer sich auf der Strasse etwas genauer umschaut, stellt fest, dass immer weniger «menschliche» Originale durch die Strassen wandern. Unterschiedliche Personen verwachsen trotz des Anspruchs an Individualität zu einer Masse. Menschen fühlen sich durch ihre Interessen, ihren Lebensstil oder auch ihre Arbeit miteinander verbunden. Dies wiederum zeigen sie im täglichen Auftreten. Kleidungsstile bestimmen ganze Gruppierungen, Gemeinschaften, Kulturen und umgekehrt. Sie schaffen gemeinsame Identitäten. Ari und Elli aus Rotterdam befassen sich in Exactitudes seit Jahrzehnten intensiv damit.
Aber was löst ein Original in mir denn genau aus, dass ich mich dafür so einsetze?
Begegnet mir ein Original, jemand mit Ecken und Kanten, eigenem Stil und Fehlern, dann verspüre ich plötzlich grosse Freude. Dieselbe Gefühlsregung habe ich, wenn ich ein Objekt in absoluter geradliniger Einfachheit erspähe. Ich werde mitgerissen von der Abweichung vom Gewöhnlichen. Das Original hat die Kraft mich, den Betrachter, in seinen Bann zu ziehen und träumen zu lassen. Das scheint mir der Knackpunkt: Kopien erzeugen bei mir keine Inspiration und erst recht keine Fantasie. Und was wäre das Leben ohne Träume und Fantasien?
Ich behaupte, wir sind innerlich immer auf der Suche nach dem Unverwechselbaren, dem Einzigartigen. Wer es findet, sollte die Ärmel hoch krempeln. Denn geschenkt erhält man kein Original.